Bisher durfte sich der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht selbstständig über eine unbillige Weisung des Arbeitgebers, die nicht bereits aus anderen Gründen unwirksam war, hinwegsetzen, sondern musste das Arbeitsgericht anrufen und war vorläufig, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung, an die Weisung gebunden.
Diese Auffassung hat der 5. Senat des BAG mit Beschluss vom 14. September 2017 (Az: 5 AS 7/17) aufgegeben. Im Anschluss daran erfolgte auch die Entscheidung des 10. Senats im Urteil vom 18. Oktober 2017 (Az: 10 AZR 330/16). Danach ist der Arbeitnehmer nicht – auch nicht vorläufig an eine unbillige Weisung des Arbeitgebers gebunden. Zu Recht hatte der Kläger in dem zugrunde liegenden Fall einer Versetzung durch seinen Arbeitgeber an einen anderen Betriebsstandort keine Folge geleistet, da diese Weisung nach Abwägung im Einzelfall als unbillig einzustufen war.
Das Arbeitsverhältnis ist zwar durch die Weisungsgebundenheit geprägt, jedoch ergibt sich daraus sowie auch aus der Auslegung der für das Weisungsrecht einschlägigen Vorschriften keine vorläufige Bindungswirkung einer unbilligen Weisung. Entgegen der früheren Auffassung des 5. Senats ist die Regelung zur gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung im Rahmen des arbeitsrechtlichen Weisungsrechts nicht entsprechend anwendbar. Auch eine Klageobliegenheit des Arbeitnehmers ist im Falle einer unbilligen und daher unverbindlichen Weisung nicht gegeben.
Letztlich stehen Sinn und Zweck des Weisungsrechts der Annahme einer vorläufigen Bindungswirkung unbilliger Weisungen sogar entgegen. Durch das Instrument der Weisung soll es dem Arbeitgeber ermöglicht werden, den Arbeitsvertrag und die darin häufig nur rahmenmäßig geregelte Arbeitspflicht des Arbeitnehmers nach seinen Vorstellungen zu konkretisieren. Hingegen soll er nicht das Risiko einer unbilligen, also gegen die objektive Rechtslage verstoßenden, Weisung ohne Folgen auf den Arbeitnehmer abwälzen können.
Gleichwohl empfehlen wir, wegen der gewissen rechtlichen Unsicherheit einer Weisung bis zur gerichtlichen Klärung zunächst unter Vorbehalt und Protest Folge zu leisten. Sollte sich entgegen der Einschätzung des Arbeitnehmers im Nachhinein herausstellen, dass die Weisung doch rechtmäßig war, können arbeitsrechtliche Sanktionen drohen.
Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung.
Ihre Rechtsanwälte Herlitzius